Der Name Vincent Gooiker ist vielen Tretroller Fahrern nicht so geläufig. Und doch haben sie mit großer Wahrscheinlichkeit einen Tretroller, der über Vincent den Weg zum Kunden gefunden hat. Von Hengelo in den Niederlanden aus betreibt er seinen Stepshop und ist gleichzeitig größter Tretroller Großhändler der Welt.
Vincent und sein Team arbeiten mit unglaublichen 1.500 Händlern zusammen. Während der Tretroller WM in Holland durfte ich ihn näher kennen lernen. Star Allüren oder Größenwahn? Keineswegs. Für unseren morgendlichen Termin hat uns Vincent in seinem Wohnmobil an der Rennstrecke empfangen und uns einen leckeren Kaffee gekocht. Dazu gab es die für unsere niederländischen Nachbarn typische Stroopwafel als kleines Dessert dabei. Ebenfalls bemerkenswert. Auch Vincents Mutter war zugegen und folgte unserem Interview. Das Unternehmen, dass Vincent geschaffen hat, ist mutmaßlich genau das, was wir unter dem Prototyp des Familienunternehmens verstehen würden.
Die Leidenschaft für den Roller hat er dabei nicht verloren. In seiner Freizeit verbringt Vincent natürlich auch noch viel Zeit auf dem Roller. Allein und mit der Familie. Wie das so ist wenn man Hobby und Leidenschaft zum Beruf macht…
Vincent, erzähl mal, wie fing das denn alles an?
Die ersten Berührungen mit dem Tretroller hatte ich zu meiner Studentenzeit. Damals suchte ich nach einer praktischen Alternative zum Rad, da der Radkeller nicht praktisch genug bzw. schlichtweg zu klein war. Ich erwarb für kleines Geld einen Roller mit 12″ Bereifung. Das war damals einfach die beste Lösung für mein Problem.
Ich nahm außerdem an einem Rennen teil und wurde prompt Zwölfter. Bei meiner nächsten Rennteilnahme fuhr ich den siebten Platz nach Hause und begann mehr zu trainieren. Die Leidenschaft war quasi geweckt. In der Zeit, es mag jetzt 20 Jahre her sein, begründeten wir auch das Step Team Twente, das heute als eines der erfolgreichsten Roller Teams weltweit, zählt. In den ersten Jahren waren wir mehr oder minder unter uns, aber bereits nach drei Jahren hatten wir schon um die 30 bis 40 Mitglieder, die unserer Rollerleidenschaft mit uns teilten.
Der Weg ins Business….
Irgendwie wollte ich damals mehr mit dem Roller machen als nur Rennen zu fahren und mich fit zu halten. Stadttouren mit Rollern anbieten – das war genau das was ich machen wollte. Und Roller für Kindergeburtstage bereit stellen, damit die Kleinen einen unvergesslichen Nachmittag verbringen können, das sollte es sein. Also kauften meine Frau und ich uns 12 gebrauchte Roller von eher minderer Qualität. Aber der Anfang war gemacht.
Bereits ein Jahr später hatten wir 100 Kickbikes, die über das Jahr hinweg über 10.000 verliehen wurden. Hier bei uns in den Niederlanden ist es zudem etwas einfacher, auch Firmenveranstaltung für sich zu gewinnen. Unsere Kultur ist da vielleicht ein wenig unterschiedlich zu euch in Deutschland. Jedenfalls war es damals so. Eine gute Firmenfeier beginnt in den Niederlanden immer mit einer Aktivität, einem kleinen besonderen Erlebnis. Danach geht es dann zum gemeinsamen Essen. Und da hatten wir mit den Rollern einfach eine passende Alternative zu bereits bekannten Erlebnissen. Die oben genannten Zahlen belegen das ja ganz gut, denke ich.
Zuviel Geschäft – Zu wenig Leben
Die Freude über den wachsenden Verleih hielt gute drei bis vier Jahre. Ihr müsst wissen, zu der Zeit waren meine Frau und ich noch beide voll im Job. Wir verliehen Roller nicht nur, wir boten sie natürlich auch zum Verkauf an. Dazu dann in meinem Falle noch der Job als Lehrer. Es war zuviel. Und so beschlossen wir, unseren Fokus auf den Verkauf zu richten.
In 2007 dann musste eine Grundsatzentscheidung getroffen werden. Voll im Lehrerjob oder voll ins Business einsteigen. Denn alles gleichzeitig und gleich gut schafft man zumindest auf Dauer nur selten. Ich entschied mich für das Business und wusste nach einem Jahr, das es die richtige Entscheidung für mich gewesen ist.
Der Stepshop wächst
Unser erstes Firmengebäude hatte eine Fläche von knapp 400 m², mehr als ausreichend für unsere damaligen Aktivitäten. Trotzdem brauchten wir mit der Zeit größere Flächen und mittlerweile beherbergen wir 15.000 Roller. Es liegt ein langer und teils steiniger Weg hinter uns aber heute kann ich immer noch sagen, es war die richtige Entscheidung und mittlerweile ist unser Geschäft und natürlich der Roller etablierter. Wir haben außerdem stets darauf geachtet, eine ausgewogene Work-Life-Balance zu wahren und unseren Mitarbeitern stets vorgelebt, dass es wichtig ist, auch Zeit für sich selbst zu nehmen. Das tun wir auch heute noch und das ist – wie man bei euch in Deutschland ja sagt- auch gut so 🙂 .
Menschen helfen – Alternativen bieten
Weißt du, der Roller ist ein tolles und universelles Gerät. Neben den vielen bereits bekannten Vorteilen freut es mich heute noch jedesmal aufs Neue wenn ich mitbekomme, dass wir bzw. die Roller ein Problem lösen. Denk nur mal an Männer mit Prostatakrebs. Das Fahren auf einem Sattel ist dann schlichtweg nicht mehr möglich oder nur unter Schmerzen. Und genau hier kommt der Roller ins Spiel. Natürlich und glücklicherweise betrifft das nur einen kleinen Teil der Bevölkerung, aber ist es nicht toll, hier im Kleinen etwas Gutes voranzubringen. Ich finde schon. Auch, und das wisst ihr ja, ist der Roller für Kinder eine tolle Möglichkeit, die eigene Motorik zu entdecken und sich aufs Rad fahren vorzubereiten.
17 Millionen, 1 Million zu 150.000
Die Zahlen sagen dir jetzt nichts, oder? Ich erkläre es dir. In den Niederlanden wohnen ca. 17 Millionen Menschen. Sie besitzen 1 Millionen Fahrräder und knapp 150.000 Tretroller. Für eine Nische ist das doch gar nicht mal schlecht, oder? Wir stellen in jedem Falle fest, dass das Interesse am Roller steigt. Nicht so exponentiell wie bei hippen Trendsportarten. Der Roller ist kein Trendgerät, er ist seit 30 Jahren Nische. Ist das schlimm? Eigentlich nicht. Es ist aber toll mit anzuschauen, dass immer mehr Menschen den Weg zum Roller finden und ihm positive Eigenschaften zuschreiben oder sich einfach wohl mit dem Roller fühlen.
Und das obwohl das Vertriebsnetz längst nicht so stark ist, wie bei Fahrrädern. Nur wenige Radshops führen die Roller, da sich die Fahrräder in einem Fahrradladen schlichtweg besser verkaufen.
Ist der Tretroller ein infrastruktureller Problemlöser in Städten?
Wenn die Infrastruktur einer Region sich wandelt und es bessere Möglichkeiten für Rad und Roller gibt, ist das die eigentliche Lösung. Der Roller ist dann nur ein Puzzle-Teil, genauso wie Carsharing, ÖPNV, Homeoffice und das Rad. Es ist nicht der Roller, der gebraucht wird, es sind Lösungen die benötigt werden.
Auch die elektrischen Roller werden nicht die Mobiliätsprobleme in der Stadt beseitigen, solange die Gesetzgebung restriktiv ist und die Akkus nach nicht mal zwölf Monaten anfangen zu schwächeln. Wenn es um Lösungen geht, dann hat der Roller aber einiges zu bieten. Klapproller halte ich für die Stadt zum Beispiel für extrem praktisch. Schnell verstaut, schnell aufgebaut und super transportabel.
Sag noch was zur WM, bitte
Ein großes Familientreffen und das direkt bei uns vor der Haustüre. Die Weltmeisterschaft war wieder ein tolle Möglichkeit, dem Sport einen angemessenen Rahmen zu geben. Du hast dich vielleicht gewundert, dass nicht mehr Stände und Aussteller da waren, lass mich das kurz erklären. Zur WM kommen überwiegend Menschen, die bereits einen Tretroller besitzen. Am Freitag hatten wir daher einen Stand, an dem sich auch Interessierte ein Bild verschiedener Roller machen konnten. Aber hauptsächlich richtet sich die Veranstaltung an die Athleten und die mitgereisten Fans. Daher ist vielleicht etwas weniger drum herum als bei einer Fußball-WM. Das Event war aber eine tolle Erfahrung und zudem gut besucht. Bei echtem Kaiserwetter, so sagt ihr das ja in Deutschland, konnten sich die Besten Fahrer und Fahrerinnen der Welt in angemessenem Rahmen treffen und um die ersten Plätze fahren.
Tretroller Laden eröffnen – Sollte man dich kontaktieren?
Schaden kann es sicher nicht, ein wenig Erfahrung bringe ich ja bereits mit. Wie du schon in der Einleitung erwähnt hast, betreuen wir von Hengelo aus nahezu 1.500 Händler und können die meisten etablierten Marken direkt zum Händler versenden. Und den ein oder anderen Tipp für den Start haben wir mit Sicherheit auch noch.