Er zählt aktuell zu den schnellsten Tretrollerfahrern der Welt. Das tschechische Tretroller Portal „Kolobezkovy“ bezeichnete ihn jüngst als vielleicht besten Fahrer auf unserem Planeten. Wir haben den frisch gekürten Europameister und mehrfachen Weltmeister im Interview und versuchen, ihm ein wertvolle Tipps zu seinen Trainingsgewohnheiten zu entlocken. Ob wir das Geheimnis seiner außergewöhnlichen Leistungen ergründen, könnt ihr in den folgenden Zeilen selbst erfahren. Die Rede ist von Adriaan Ringoir, einem sehr sympathischen jungen Mann aus den Niederlanden.
Adriaan, stell dich bitte kurz unseren Lesern vor.
Hallo Ich bin Adriaan, komme aus Krimpen aan den IJssel (nah am Rotterdam). Seit fünf Jahren bin ich begeisterter Rollerfahrer und ansonsten auch sehr viel mit dem Fahrrad unterwegs. Laufen und Wandern zählt ebenfalls zu meinen bevorzugten Hobbies.
- Weltmeister Criterium
- Weltmeister Marathon
- Europameister Criterium
- Europameister Sprint
- Alle nationalen Titel (Niederlande)
Warst du immer sportlich und wie bist du zum Tretroller Sport gelangt?
Ich fahre seit frühem Kindesalter gerne mit dem Fahrrad, allerdings bin ich nie Rennen mitgefahren. Ich hab außerdem viele Jahre Korfbal gespielt, allerdings liegt diese Zeit schon gute zehn Jahre zurück. Seit dem 14. Lebensjahr haben ich von Laufen, Inlineskaten und einigen anderen Bewegungssportarten eigentlich alles in mich aufgesogen. Irgendwann sagte mein Vater mal über mich „Alles was draußen ist und ihn müde macht, macht ihm Spaß“ und das stimmt eigentlich bis heute.
Zum Roller bin ich über den Musikverein gekommen. Dort fragte mich Wenda Zuiddam einmal, ob ich nicht mal mit dem Tretroller mitfahren möchte. Und nach dem ersten Mal habe ich nie wieder aufgehört, da es einfach so unglaublich viel Spaß macht!
War dir direkt klar, dass du das Zeug zum Weltmeister hast?
Nein, ich hatte nie daran gedacht, einmal so weit zu kommen. Ich wollte eigentlich nur mal schauen, ob ich im internationalen Peloton (Begriff aus dem Radsport, bezeichnet das geschlossene Hauptfeld der Rennfahrer; Anm. der Redaktion) mithalten kann.
Du bist jüngst Vater geworden. Was hat sich ggü. der WM 2018 im Sportlichen verändert?
Also eigentlich ist nur wenig anders. Aktuell komme ich allerdings nicht mehr dazu, sechsmal pro Woche zu trainieren. In diesem Frühjahr war ich bereits froh, wenn es für drei Trainingseinheiten in der Woche gereicht hat. Das war zur Weltmeisterschaft in der Heimat noch anders.
Bist Du zufrieden mit deinen Abschneiden bei der Europameisterschaft?
Bestimmt ja, mit zwei Siegen und einem tollen fünften Platz beim Marathon kann ich doch nur total stolz sein! Und ich bin wirklich sehr froh, dass ich trotz des verringerten Trainingspensums gleich zwei Titel mit nach Hause bringen durfte.
Worin liegt deine Motivation, diese Leistungen so konstant abzurufen?
Meine Motivation liegt insbesondere darin, mir immer wieder zu zeigen, dass ich es noch kann! Und mir macht es wirklich Freude, Bestleistungen auf den Punkt abrufen zu können. Aber ganz ehrlich. Die größte Motivation ist schlicht und ergreifend… der Spaß beim Fahren! Gewinnen fühlt sich grandios an, überhaupt keine Frage. Es ist für mich aber keine Pflicht! Spaß haben und das Genießen, was man gerne tut, dass ist das, was wirklich wichtig (für mich) ist!
Lass uns über dein Training sprechen.
Gern. Was möchtest Du wissen?
Wie oft trainierst du?
Vor den Weltmeisterschaft im letzten Jahr war ich wirklich voll im Training und habe über Monate hinweg sechsmal pro Woche trainiert. Dazu hatte ich mir auch einen Plan geschrieben, aber so ganz fest eingehalten hab ich ihn nicht.
Wie lange dauern deine Trainingseinheiten und variierst Du sie?
Meine Trainingsdauer ist sehr abhängig von dem Ziel der jeweiligen Einheit. Ein Sprint Training kann nach einer halben Stunde bereits beendet sein. Meine Ausdauer-Training geht oft genug auch sechs Stunden. Und alles was (zeitlich) dazwischen liegt ist ebenfalls gut.
Wie viele Ruhephasen / Tage hast du?
In einigen Trainingsblöcken kann es innerhalb einer Woche durchaus bis zu zwei Ruhetagen hintereinander geben. Aber Ruhe bedeutet bei mir nicht, dass ich dann gar nichts mache und auf der Couch liege 😉.
Wie ändert sich das Training vor den Wettkämpfen?
Die Intensität steigt in jedem Falle in den letzten drei Wochen vor dem Wettkampf an. Zwei Wochen vor den Wettkämpfen (EM und WM) trainiere ich auf Maximalgeschwindigkeit und Sprint Training. Zwei Tagen vor den Rennen gönne ich meinem Körper aber wirklich die totale Ruhe und schöpfe Kraft. In der Woche vor dem Wettkampf trainiere ich nur noch das, was sich in dem Moment richtig anfühlt und mir Spaß macht.
Adriaan, wie ernährst Du dich?
Ich achte darauf, dass mein Essen nie zu fett ist. Das ist auch schon mein „Geheimnis“. Und ich esse wirklich für mein Leben gerne Gemüse. Dafür lass ich alles andere Stehen.
Süßigkeiten und Alkohol? – Gibt es das auch bei einem Weltmeister?
(Lacht) Ja, beim Ersten ganz bestimmt. Ich esse gerne Schokolade, und wenn ich genug trainiere verbrauche ich die Extrakalorien ja auch schnell wieder… Alkohol trinke ich eher nicht, ganz selten kommt es im Jahr vor, dass ich mir in geselliger Runde mal ein Schäppschen gönne.
Wie hältst Du es mit der Flüssigkeitsaufnahme?
Normalerweise trinke ich während eines Rennens mit max. 50 Kilometern unterwegs nur 650 ML Wasser. Vorausgesetzt es liegen keine Temperaturen jenseits der 30 Grad vor. Vor dem Rennen trinke ich 500ml Limo mit ein wenig extra Salz um den Körper zu versorgen.
Dein Trainer ist…
Mein Trainer bin ich selbst. Wenda hat mir alles beigebracht und vorgemacht. Natürlich höre ich auch auf die Tipps von anderen Rolleristi und probiere diese auch für mich zu nutzen. Letztes Jahr habe ich einige Male mit Daan (de Jonge), Machiel (Steenbergen) und Mario (Reine) u.a. für den Staffellauf trainiert. Dabei lerne ich natürlich auch noch hinzu.
Trainierst du auch noch Tritt und Atem-Techniken?
Atmen ist sehr wichtig, aber hier hat mir die Natur bereits eine gute Technik eingebaut. Für mich ist eine ausgereifte Tritttechnik sehr sehr wichtig! Ich trainiere dass sehr gezielt, vor allem bei langen Trainingsfahrten und beim Langsamen rollen schaue ich, dass ich meine Technik verfeinere.
Wie stehst Du zu Bewegungsanalysen, wie z.B. Video und Zeitlupe? Nutzt du diese Möglichkeiten um dich zu verbessern?
Leider hatte ich diese Möglichkeiten nicht, da ich meistens alleine trainiere. Ich bin mir aber sicher, dass ich meine Technik durch diese Analysen verbessern könnte.
Nutzt du andere Sportgeräte wie z.B. das Fahrrad oder gehst ins Fitnessstudio?
Ja, sehr gerne sogar! Ich mag auf jeden Fall die Abwechslung. Ausdauertraining mache ich auch oft auf dem Rad! Auch zusammen mit meiner Frau Judith auf unserem Tandem. Da kann ich so viel Kraft in die Pedale drücken wie ich mag… und sie kommt einfach mit (Ideal!). Und jetzt fährt sogar noch Sohn Thomas im Wagen mit. Schöner geht Sport treiben wirklich nicht.
Herzfrequenz, Puls… Misst du deine Werte während des Trainings?
Ich fahre sehr oft mit einem Herzfrequenz-Sensor. Tief und hohe Werte oder Durchschnitt halten und meine Geschwindigkeit an das jeweilige Vorhaben anpassen. Das war´s eigentlich schon.
Wie hältst Du dich im Winter fit?
Rollerfahren! Ich mag es auch, wenn es kalt und nass ist! Es gibt doch kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung! Das stammt doch aus Deutschland, oder 😉 ? Auch auf dem Rad wirst du mich im Winter immer antreffen können, wenn es nass und kalt zugleich ist. Denn das ist beim Rollerfahren etwas unangenehm, da das kalte Spritzwasser der Hinterreifen mir ständig in die Schuhe läuft.
Gab es bei dir auch Rückschläge, z.B. durch Verletzungen? Hast Du selbst Schwachstellen und wie gehst Du damit um? Wie regenerierst Du?
Ich habe wirklich sehr viel Glück gehabt und besitze einen sehr robusten Körper. Ich bin bisher komplett von ernsthaften Verletzungen verschont geblieben. Toi toi toi.
Worauf achtest Du besonders?
Meine Gesundheit in Allgemein. Und wie schon gesagt, Spaß haben! Vielleicht ist das der Grund warum ich selten krank werde und mich nie verletzte.
Trainierst Du alleine oder in der Gruppe?
Mit unserem Team trainiere ich nicht so häufig. Das ist mehr Training für die anderen Fahrer 😉
Stichwort Ausrüstung. Worauf achtest Du?
Bei Schuhen ist mir wichtig, dass sie guten Grip haben. Bei der Kleidung achte ich darauf, dass sie nicht mich nicht ärgert. Sie muss gut sitzen und ihre Funktion erfüllen. Natürlich hilft auch ein leichter und steifer Roller. Beim Roller spielt für mich neben den Eigenschaften auch das Vertrauen ins Material und die Erfahrung eine sehr große Rolle. Damit meine ich konkret, dass man sich darauf einstellen kann, wie der Roller in Kurven reagiert. Erst wenn man weiß, wie der Roller sich verhält, kann man das letzte Quäntchen Energie aus jedem Tritt herausholen.
Wo liegen deiner Meinung nach Verbesserungsmöglichkeiten im Spitzensport? Beim Material, bei der Tritttechnik oder bei den Trainingsmethoden?
Ich denke, dass das richtige Training der wichtigste Part ist. Mehr Stunden bedeutet dabei nicht unbedingt auch gleich, dass das Training besser wird! Der Trainingsaufbau ist aus meiner Sicht der große Erfolgsfaktor. Die Maximalgeschwindigkeit könnte ich sicher noch steigern, wen meine Tritttechnik noch besser wird. Und wenn das alles passt, dann hilft ein steifer Roller auch, aber eben nicht so sehr wie das Training.
Du bist recht groß, hast einen drahtigen Körper – Ist deine Größe ein Vorteil?
Lange Beine sind ein Vorteil, ich kann aber nicht einschätzen, wie viel das tatsächlich ausmacht. Ein langer Tritt ist mehr kraft vorne, aber es kostet auch mehr Kraft und Zeit, das Bein wieder zu heben. Eine gute Stabilität im Körper ist ganz ganz wichtig! Dass muss man auch im Gedenken nehmen ins Training! Core Stability Training (Rumpftraining, Anm. der Redaktion) zahlt sich definitiv aus!
Wo kann man dich Treffen oder deine Trainings verfolgen? (Facebook, Strava, etwas anderes?)
Bei Strava stelle ich viele, aber nicht alle meine Fahrten ein. Wer mit mir Kontakt aufnehmen möchte, kann mich über Facebook erreichen. Wenn ich kann, helfe ich darüber gerne und gehe in den Austausch.
Welche Tipps hast du für alle, die dich bei der nächsten WM schlagen möchten?
Fahre nicht nur, sondern trainiert richtig! Und… Habt Spaß dabei! Freut euch über alle Dinge, die ihr während eurer Fahrten seht. Mich fasziniert bis heute, wie immer alles im Wandel ist und ich kann mich auch über die vermeintlich kleinen Dinge des Lebens freuen. Achte doch bei deinen nächsten Fahrten einfach mal darauf, wie sich das Wetter ändert. Und wie die Jahreszeiten ihre Geschichten erzählen.